Rede von Klaus Mindrup zur Aktuellen Stunde
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn man die Debatte hier so verfolgt, hat man den Eindruck, dass es nur einen Königsweg zum Klimaschutz gibt, nämlich Steuerboni. Dem möchte ich an dieser Stelle energisch widersprechen. Steuerliche Entlastungen sind wichtig für einige Zielgruppen, aber nicht für alle.
Ich bin selbst seit über zwölf Jahren Aufsichtsrat einer Graswurzelgenossenschaft im Prenzlauer Berg. Wir haben unsere 450 Wohnungen saniert und dabei durch intelligentes Vorgehen 70 Prozent des CO2- Ausstoßes eingespart. Wir hatten zweimal die Chance, steuerliche Sonderabschreibungen zu nutzen, die es heute schon gibt, erstens weil unsere Genossenschaft im Sanierungsgebiet liegt und zweitens weil unsere Bestände denkmalgeschützt sind. Beide steuerlichen Möglichkeiten haben wir nicht genutzt, weil es für uns keinen Sinn machte: Wir können keine Gewinne mit Verlusten verrechnen. Es gibt viele Hauseigentümer, die das nicht können, seien es Genossenschaften, kommunale Gesellschaften oder auch Einzeleigentümer. Diese müssen mit dem letzten Cent rechnen; und für sie ist es viel wichtiger, dass es Zuschüsse wie die Tilgungszuschüsse von der KfW gibt, die jetzt geplant sind. Auch wichtig sind Darlehen mit einer langen Laufzeit und mit einer sehr hohen Verlässlichkeit.
Wir als SPD wollen auf dem Weg zum Klimaschutz alle mitnehmen: Rentnerinnen und Rentner mit einem kleinen Haus darf man genauso wenig überfordern wie Mieterinnen und Mieter. Wohnen muss bezahlbar bleiben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Man kann die Sanierungsrate durchaus auch unter den heutigen Rahmenbedingungen steigern. Das zeigt das Beispiel der InnovationCity Bottrop, die nach ihren eigenen Zahlen bei 8 Prozent ist. Da geht es um Beratung und darum, dass man die Maßnahmen zielgerichtet zuschneidet und auch auf Wirtschaftlichkeit achtet. Ich sehe es als relativ großes Problem, dass bei der energetischen Gebäudesanierung die Wirtschaftlichkeit oftmals nicht betrachtet wird. Es werden Maßnahmen, die nicht unbedingt sinnvoll sind, durchgeführt, weil die Kosten dafür auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden können, weil also ein Dritter zahlt. An dieser Stelle ist es wichtig, genau hinzuschauen und vor allen Dingen die Beratungskompetenzen zu stärken.
Denn ohne Akzeptanz wird die Energiewende nicht gelingen. Diese Akzeptanz wird von unten gewonnen: in der Nachbarschaft, im Dorf, im Quartier. Deswegen ist es auch richtig, dass die Bundesregierung verstärkt Quartierslösungen unterstützen will, wie sie bei meiner Genossenschaft schon vor 14 Jahren realisiert wurden.
Wir haben unsere Mieterinnen und Mieter, unsere Nutzer intensiv beraten; denn ein richtiges Nutzerverhalten ist das Wichtigste bei der Energiewende. Energieberater sind mindestens so wichtig wie Steuerberater. Eine sinnvolle Dämmung, Optimierung der Heizungen, Einsatz von Solarenergie und Kraft-Wärme-Kopplung sind hier die wichtigsten Stichworte. Auch genossenschaftliche Lösungen bieten sich an, weil sie nämlich langfristig wirtschaftlich sind und die Menschen vor Ort mitnehmen.
Wir müssen dabei die oft getrennten Bereiche Strom, Wärme und Transport miteinander verknüpfen, statt alles isoliert zu sehen. Das Internet ist dabei sehr wichtig. Industrie 4.0 muss auch im Quartier stattfinden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Jan Metzler [CDU/ CSU])
Wichtig ist auch, dass die Bundesregierung jetzt schnell die gesetzlichen Grundlagen für die Vermarktung von Grünstrom schafft – wir haben als Bundestag dafür eine Verordnungsermächtigung in das EEG aufgenommen –: Das ist Umweltschutz vor Ort, das ist Wertschöpfung vor Ort, und das macht Sinn, vor allen Dingen dann, wenn man vor Ort auch die Stadtwerke einbindet, wie das in Nürnberg der Fall ist. Allerdings ist die Energiewende ein Gemeinschaftswerk. Sie kann nur dann gelingen, wenn die 16 Bundesländer und der Bund gemeinsam in eine Richtung gehen.
Wenn das jetzt der erste Fall gewesen wäre, in dem ein Bundesland etwas aus der Reihe tritt, dann könnte man vielleicht darüber hinwegsehen. Aber das war ja schon mehrfach der Fall. Wir hatten die Debatte um die Atomenergie, die aus einem bestimmten Bundesland kam, dann wurde der Ausbau der Windenergie in einem bestimmten Bundesland eingeschränkt, dann gab es die Debatte um die Stromtrassen, und nun gibt es das Reingrätschen bei der steuerlichen Gebäudesanierung. Hat das Methode?
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, natürlich! – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Atomkraftwerke für Bayern!)
Dabei ist es so – das kann man an der Windenergie sehen –, dass es in diesem Bundesland, dessen Namen ich jetzt nicht nenne, durchaus eine hohe Akzeptanz für die Energiewende gibt. In Bayern sind im letzten Jahr 20-mal so viele Windräder gebaut worden wie in Baden-Württemberg. Es sollten sich die Grünen einmal genau anschauen, woran das liegt.
(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Genau! Hört! Hört!)
Insofern gibt es noch Hoffnung. Ich würde mich freuen, wenn wir hier alle wieder an einem Strang ziehen würden, gemeinsam in Richtung energetischer Gebäudesanierung.
Wenn Blockaden aufgehoben werden, wenn die Energie, die diese Debatten kosten, in eine andere Richtung gelenkt wird, dann kommen wir alle voran, und dann wird die Energiewende auch gelingen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende und eine gute sitzungsfreie Woche. Auf Wiedersehen!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)